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Pflegebegutachtung modernisieren, Vernetzung für die Versicherten voranbringen

Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Sachsen hat sich seit 2013 von 149.461 auf 363.243 Menschen mehr als verdoppelt. Mehr als 182.000 Pflegebegutachtungen führte der Medizinische Dienst Sachsen 2024 durch. Tendenz weiter steigend. Im Rahmen der heutigen Pressekonferenz des Medizinischen Dienstes Bund sprechen sich die Medizinischen Dienste der Länder für eine Modernisierung der Pflegebegutachtung aus, damit für die Versicherten auch in Zukunft der zeitnahe Zugang zu einer bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung sichergestellt wird. Neben der Veröffentlichung des ersten Reportes „Pflegebedürftigkeit 2025 - Entwicklung und Potenziale der Pflegebegutachtung“ stellt der Medizinische Dienst Bund den „8. Pflege-Qualitätsbericht“ mit den bundesweiten Ergebnissen in der ambulanten und stationären Pflege vor.

„Das Thema Pflege ist endlich auf der Agenda angekommen. Neben der finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung brauchen wir nachhaltige Reformen. Die Modernisierung der Pflegebegutachtung hin zu einem initialen Fallmanagement wäre der entscheidende Schritt, damit sie einen Beitrag zur bedarfsgerechten Versorgungsplanung der Pflegebedürftigen leisten kann“, sagt Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund.

Rund 86 Prozent der Pflegebedürftigen in Sachsen leben in eigener Häuslichkeit, mehr als jeder zweite davon organisiert die Versorgung ohne professionelle Unterstützung. „Die Pflegebegutachtung sollte sich auf diese Pflegesituationen fokussieren, um im Zusammenwirken mit Pflegekassen, Kommunen und weiteren Akteuren, die Pflegebedürftigen und die pflegenden Angehörigen besser unterstützen und entlasten zu können“, so Engler.

Die Pflegebedürftigkeit nimmt zu und sie wird weiter steigen

Die Ursache für die steigende Anzahl der Pflegebedürftigen liegt zum einen in der demografischen Entwicklung, zum anderen in der Pflegereform 2017: Damals wurde das Begutachtungsverfahren grundlegend verändert: Körperliche, kognitive, psychische und psychiatrische Beeinträchtigungen können seitdem bei der Feststellung des Pflegegrades umfassend berücksichtigt werden. Auch Menschen mit psychischen und psychiatrischen Einschränkungen können einen Pflegegrad erhalten.

Die meisten Versicherten beantragen Pflegegeld: Sie setzen auf die Pflege in der eigenen Häuslichkeit durch An- und Zugehörige ohne professionelle Hilfe. Auch diese Entwicklung nimmt zu. Im vergangenen Jahr beantragte die Hälfte der Antragstellenden in Sachsen Pflegegeld (50 Prozent); 6 Prozent beantragte Sachleistungen und 30 Prozent Kombinationsleistungen aus Pflegegeld und Sachleistungen; nur 13 Prozent stellten einen Antrag auf vollstationäre Pflege.

Fokus auf Pflegebedürftige und Angehörige ohne professionelle Unterstützung legen

Die meisten Versicherten beantragen erst dann Pflegeleistungen, wenn bereits erhebliche oder schwere Beeinträchtigung vorliegen. Bei den Erstbegutachtungen in Sachsen erhielten mehr als ein Drittel der Antragstellenden (35,0 Prozent) Pflegegrad 2; 10,3 Prozent erhielten Pflegegrad 3 und 2,7 Prozent Pflegegrad 4. Pflegegrad 5 erhielt 1,5 Prozent der Antragstellenden. Pflegegrad 1 bekamen 32,6 Prozent der Antragstellenden. Bei 17,8 Prozent kamen die Gutachterinnen und Gutachter zum Ergebnis, dass zum Begutachtungszeitpunkt noch kein Pflegegrad vorlag. Gerade bei der Erstbegutachtung kommt es ganz besonders darauf an, die Weichen für die Versicherten so zu stellen, dass die Pflegesituation stabilisiert und bedarfsgerecht ausgestaltet werden kann.

Empfehlungen des Medizinischen Dienstes helfen, die Selbstständigkeit zu erhalten

In der Pflegebegutachtung stellen die Gutachterinnen und Gutachter nicht nur den Pflegegrad fest, sondern sie sprechen individuelle Empfehlungen aus, um die Selbstständigkeit der Versicherten zu erhalten und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit vorzubeugen: Beispielsweise erhielten 2024 in Sachsen 32,2 Prozent der Antragstellenden in der Erstbegutachtung eine Hilfsmittelempfehlung (Begutachtung mit beantragten ambulanten Leistungen). „In vielen Fällen sind die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes die ersten professionellen Kräfte mit denen die Pflegehaushalte Kontakt haben. Entsprechend hoch muss deren pflegefachliche Kompetenz sein, weil sie Hinweise geben, wie sich die Pflegesituation verbessern lässt. Die Pflegebegutachtung benötigt Vertrauen und muss weiterhin unabhängig, neutral, verlässlich und qualitätsgesichert erfolgen“, sagt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK.

Qualität in Pflegeheimen Sachsens zufriedenstellend – Defizite in der Behandlungspflege

Im Jahr 2023 hat der Medizinische Dienst Sachsen insgesamt 613 vollstationäre Einrichtungen im Freistaat überprüft. Dabei untersuchten die Qualitätsprüferinnen und -prüfer die Versorgungsqualität bei über 5.031 Bewohnerinnen und Bewohnern. Das geschieht anhand von Personenstichproben: Die Qualitätsprüferinnen und -prüfer schauen sich an, wie gut die pflegebedürftigen Menschen in den Einrichtungen versorgt werden: bei Mobilität, Körperpflege, Essen und Trinken, Behandlungspflege und vielem anderen mehr. Werden Defizite festgestellt, so berät der Medizinische Dienst die Pflegekräfte in der Einrichtung, wie sie die Mängel beseitigen und die Versorgungsqualität verbessern können.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Versorgungsqualität in Pflegeheimen insgesamt zufriedenstellend ist und Pflegebedürftige in der Eingewöhnungsphase im Pflegeheim gut unterstützt werden. Die Unterstützung bei der Tagesstrukturierung, Beschäftigung und Kommunikation ist ebenfalls positiv. Mängel gibt es dagegen bei der Behandlungspflege, wie zum Beispiel bei der Wundversorgung und auch beim Umgang mit herausforderndem Verhalten (Quelle: 8. Pflege-Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes Bund nach § 114a Absatz 6 SGB XI - Qualität in der ambulanten und stationären Pflege).

Die Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes sind weiterhin notwendig, um die Versorgungsqualität in den Einrichtungen zu verbessern. Eine besondere Rolle spielt dabei die Beratung, die dazu beiträgt, konkrete Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Angesichts der demografischen Entwicklung und der knappen Ressourcen, gilt es auch hier, Synergien zu nutzen und die Qualitätsprüfung weiterzuentwickeln. Es ist sachgerecht, beispielsweise Prüfintervalle für Einrichtungen, die eine gute Versorgungsqualität haben, zu verlängern.